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Benno Zünd | © Andreas Ditaranto
Benno Zünd | © Andreas Ditaranto

Vom gut bezahlten Kader­job zum Bettelorden: Was nach tiefem Fall klingt, war für Benno Zünd Bestimmung und der Weg zur Erfüllung. Heute lebt Bruder Benno im Kapuzinerkloster Wil.

von Andreas Ditaranto; anzeiger.biz (vollständiger Artikel)

Benno Zünd hatte alles, was sich die meisten in unserer leistungs- und geld­orientierten Gesellschaft wünschen: Er verdiente gut, lebte mit seiner Freundin in einer schönen Wohnung und fuhr einen schicken BMW. Nach dem Studium an der Hoch­schule St. Gallen konnte der gebürtige Oberthurgauer bei der damaligen Swissair ins Kader einsteigen und kletterte die Karriereleiter hoch bis zum Finanzcontroller.

Doch wirklich glücklich war er nicht. Die Wirtschaftskrise in den 1990er Jahren hinterliess auch bei der einstigen Vorzeige-Airline ihre Spuren: Der Spar- und Arbeitsdruck stieg, viele Leute mussten entlassen werden. Das ging Benno Zünd nahe, er verlor die Freude an seiner Arbeit. Auch seine Gesundheit litt unter der schwierigen Situation. Obwohl er doch ursprünglich genau nach so einem Job Ausschau hielt, in dem er seine Stärken in Betriebswirtschaft und Informatik verbinden und bündeln konnte.

«Was zählt im Leben wirklich?»

Benno Zünd begann, sich existenzielle Fragen nach dem Sinn zu stellen. Fragen nach Werten, die weitergehen als ein Halb­jahresbudget und Bestand haben. «Was zählt im Leben wirklich? Was trägt mich durch all die Momente?» Über eine Bekannte seiner Mutter kam er in Kontakt mit ­einem Kapuziner, der von einer 30jährigen Mission auf Sumatra zurückgekehrt war – ein Leben, ausgerichtet auf das Evangelium.

«Da hat es mich wieder gepackt», erzählt der 51-Jährige. Er berichtet von seiner Ministrantenzeit in Berg SG. «Der Pfarrer – ebenfalls ein Kapuziner – war ein feiner, fairer und bodenständiger Mensch. Ich bin immer gerne in die Kirche gegangen – suchte die Begegnung mit Christus.» Aber dereinst einer Bruderschaft beizu­treten, sei kein Thema gewesen.Bruder Benno sitzt ruhig da, wirkt geerdet, zufrieden – ein freundlich lächelnder Kirchenmann in Mönchskutte, zurückhaltend und zuvorkommend zugleich.

Ehelosigkeit, Gehorsam, Armut

Benno Zünds Weg sollte letztlich weg von der Swissair und der Wirtschaft führen – er verliess die Fluglinie vor dem Grounding im Herbst 2001. Auch seine Beziehung war zu Ende. Die Suche nach Frieden im Herzen wurde umso intensiver. Geld und Status wurden immer unwichtiger – ­dafür Gebete sowie Besuche im Kloster Appenzell. «Der innere Friede wurde mir zum höchsten Gut.» Ohne bewusst darauf hinzusteuern, näherte er sich mehr und mehr dem Wesen der Kapuziner an, dem einstigen Bettel­orden in der Nachfolge von Franz von Assisi. Bis er schliesslich ins Kloster eintrat – und gegenüber dem Orden Ehelosigkeit, Gehorsam und Armut gelobte.

anzeiger: Bruder Benno, wie ­wurden Sie Kapuzinermönch?
Es ist ein Prozess, eine innere Auseinandersetzung über zentrale Themen, bei der es um die Klärung des eigenen Weges geht – worauf möchte ich mein Leben ausrichten? Vor zehn Jahren trat ich in das sogenannte Postulat – damals im Kloster Olten – ein.

Was ist darunter zu verstehen?
Es ist die erste Phase im Ordensweg. Man übt sich im klöster­lichen Leben und in der Lebensweise der Ordensbrüder – ein gegenseitiges Kennenlernen und Einschätzen. Auch im «Noviziat», das bei den Kapuzinern Klosteraufenthalte im ganzen deutschsprachigen Raum vorsieht. Am Ende der Ausbildung steht die «ewige Profess», der definitive Eintritt in den Orden – und das Gelübde, ein eheloses Leben in Armut und Gehorsam zu führen.

Eine Verpflichtung zu einer zölibatären Lebensweise – obwohl Sie früher eine Partnerin hatten?
Ja, das sind Fragen, die man sich stellen muss. Will ich dieses Leben führen – ohne Partnerin, ohne Sexualität und ohne Streben nach materiellen Dingen? Wir sind ja keine Holzböcke. Auch muss man sich bewusst sein, nie eigene Kinder herzen zu können. Aber das Kloster ist eine Entscheidung, ich habe mein Glück und den inneren Frieden gefunden.

Ein Kloster hat etwas Faszinierendes. Wie sieht der Alltag aus?
Jeder hat seine Ämter und Aufgaben. Es gibt eine konkrete Tagesstruktur mit Gebets-, Essens- und Ruhezeiten. Um 19.30 Uhr ist «Tagesschau»-Zeit, das Weltgeschehen interessiert uns natürlich ebenfalls sehr. Vieles basiert hier auf Eigenverantwortung, die Bandbreite darf genutzt werden – ob «Tatort» oder Fussball-WM.

Es gibt also Fernsehen auch hier im Kloster. Wie steht es mit Internet und Mobiltelefonen?
Wir wollen ja keine Mauer um uns bauen. Allein schon aus organisatorischen Gründen und um sich mit anderen auszutauschen, sind E-Mails und Handys sehr nützlich, oft sogar unabdingbar. Ich bin ja auch noch in der Pfarrei Wil tätig. Es ist aber letztlich alles eine Frage des Masses.

Wie sieht das Zusammenleben im Kloster aus – gibt es nie Zoff?
Es gibt natürlich hie und da Differenzen, es «kracht» auch mal – wie in jeder Familie ebenfalls. Aber dann ist da der Glaube und das gemeinsame Gebet. Gott ist der Vater von uns allen, jeder ist mein Bruder. Wir haben das gleiche Fundament, die franziskanische Spiritualität. Dies zeigt sich auch, wenn wir hinausgehen und zum Beispiel einen Obdachlosen umarmen: Wir wollen die Liebe Gottes weitergeben und begegnen den Menschen ohne Vorurteile – ob Bundesrat oder Junkie.

Die Ordenszugehörigkeit bezeichnen Sie vor allem als Geschenk und Privileg. Weshalb?
Ich bin viel gereist in der ganzen Zeit, insbesondere wochenweise zu Bildungszwecken. Ich durfte dabei viele wertvolle Erfahrungen sammeln und spannende Begegnungen erleben. Allein schon, dass ich nach dem Noviziat in Salzburg mit 45 Jahren noch ein Studium der Theologie in Münster, Westfalen und Luzern absolvieren konnte, ist ein Privileg. «Beweglich» und offen sein, entspricht unserer Spiritualität. Auch machte ich in einem Armenhaus in Indien ein Sozialpraktikum – ich wollte mithelfen, mit den Händen arbeiten, schaffen.

Und die Reise wird weitergehen?
Ja, die Kapuziner bleiben nicht ein Leben lang «nur» in einem Kloster. Wir gehen dorthin, wo wir gebraucht werden, wo der Orden neue Aufgaben für uns hat.

Was wünschen Sie persönlich den Menschen zu Weihnachten?
Von tiefstem Herzen ein friedvolles Fest. Und dass die Menschen zu sich selber finden – über eine Begegnung mit dem Göttlichen, dem Unvergänglichen.
Zur Person Benno Zünd / Bruder Benno

Geboren am
23. Februar 1963

Domizil
Im Kapuzinerkloster Wil seit September 2013

Werdegang
Aufgewachsen in Freidorf. Sekundar- und Kantonsschule in Romanshorn, Informationsmanagement-Studium an der HSG. Job bei der Swissair im Finanzbereich, erlebte Krise in den 1990ern mit Restrukturierungen und Entlassungen, verliess die Airline vor dem Grounding 2001. Vor zehn Jahren Eintritt in den Kapuziner-Orden. Theologie­studium abgeschlossen, Pastoralpraktikum in der Pfarrei Wil. Im August 2014 zum Priester geweiht.