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Bruder Justin Thalmann mit dem für ihn typischen Lachen im Gesicht und seiner Marionette, die ihm fast aufs Haar gleicht.
Bruder Justin Thalmann mit dem für ihn typischen Lachen im Gesicht und seiner Marionette, die ihm fast aufs Haar gleicht.

Leben im Kloster (10) – Bruder Justin Thalmann musste seit jungen Jahren mit starken Schmerzen fertig werden, die auch zu Depressionen führten. Seine Erfahrungen im Umgang mit der Krankheit sind ihm beim Aufbau einer Selbsthilfegruppe für depressive Menschen in Wil eine grosse Hilfe.

Beatrice Oesch

Bruder Justin Thalmann ist seit 2006 im Kapuzinerkloster Wil daheim. Seine Zimmertür flankieren aussen rechts und links zwei prachtvolle geschnitzte Barockengel, und auch innerhalb des Zimmers hängen und stehen weitere Figuren. „Diese Kunstgegenstände habe ich aus dem Estrich heruntergeholt, damit sie nicht ungesehen verstauben“, meint er verschmitzt. Auch viele Fotografien und andere Andenken schmücken seine vier Wände, und darunter sticht eine Marionette besonders ins Auge, die ihm fast aufs Haar gleicht – Bruder Justin wie er leibt und lebt, samt Kutte aus echtem Kuttenstoff, und mit einem Säcklein mit Kochkellen und Aromat behängt. „Ich bin gelernter Koch“, erklärt er dazu, „und diese Figur hat eine liebe Frau mir geschenkt, die mich als Physiotherapeutin behandelt hat.“ Das Gehen fällt ihm nicht leicht, trotz fünf Hüftgelenksoperationen und einer Knieoperation hat er noch immer starke Beschwerden. „Mein Fahrgestell macht mir Mühe, die Schmerzen und die daraus resultierenden Depressionen haben mir zwar als Koch Grenzen gesetzt, doch dafür haben sich andere Türen aufgetan“, erzählt er mit einem fröhlichen Lachen, das für ihn typisch ist.

Für Almosen von Tür zu Tür
Bruder Justin erinnert sich gerne an seine Kindheit: „Ich bin in Rapperswil geboren und durfte mit sieben Geschwistern auf unserem Bauernhof aufwachsen.“ Mit siebzehn Jahren trat er ins Kloster in Solothurn ein, es folgte das zweijährige Noviziat in Luzern, wo er eine Koch-Anlehre machte. Darauf arbeitete der junge Laienbruder drei Jahre in Arth als Alleinkoch. „Damals kochte ich für elf Personen, doch in meiner Zeit in Solothurn von 1963 bis 1981 hatte ich dann bis zu siebzig Leute am Tisch, da lief etwas!“ schildert er. In jener Zeit absolvierte er die Kochprüfung. Auch ein anderes Studiengebiet hatte es ihm angetan: „Da ich sehr gerne über religiöse Fragen diskutiere, besuchte ich ab 1964 einen zweijährigen Theologiekurs.“ Noch eine Erinnerung ist ihm sehr lieb: „Ab 1960 ging ich jeweils im Winter in den Gebieten, wo unser Kloster Aushilfsgottesdienste machte, bei den katholischen Gemeindemitgliedern von Tür zu Tür und bat um Almosen, und da gab es so schöne Begegnungen. Einmal gab sogar ein reformierter Bauer, der speziell um unseren Besuch gebeten hatte, eine grosse Spende; das hat mich besonders gefreut.“

Selbsthilfegruppe in Wil
Als Bruder Justin die Arbeit in Solothurn wegen seiner Hüftprobleme nicht mehr bewältigen konnte, wechselte er 1981 für sechs Jahre nach Wil, dann folgten zwei Jahre in Schwyz als Diätkoch, und 1988 wechselte er ins Kloster in Olten, wo er eine Selbsthilfegruppe für psychisch kranke Menschen begleitete und auch Vorträge zu diesem Thema hielt. 2006 kehrte er nach Wil zurück und hilft seither seinem Mitbruder Thomas im Rahmen seiner Möglichkeiten beim Kochen. Aber er steckt nun auch in ein weiteres Projekt viel Herzblut: „Seit dem 14. Februar leite ich eine Selbsthilfegruppe für depressive und suizidgefährdete Menschen in Wil. Wir treffen uns alle zwei Wochen montags von 19.00 bis 21.00 Uhr im Haus der Begegnung „Harmonie“ neben der Kirche St. Nikolaus, und ich hoffe, dass viele Betroffene den Weg zu uns finden“, schliesst er lächelnd.